Seitenpfad:

Wie wir 2020 durch den Corona-Stresstest gekommen sind

Die Corona-Krise hatte unsere regionalen Planungen für das Jahr 2020 komplett durcheinandergewirbelt und stellte uns vor besonderen Herausforderungen.

 

Die IG BAU, bzw. unsere Branchen waren von den Auswirkungen der Krise nicht so massiv getroffen, wie andere Gewerkschaften, die z.B. harte Einschnitte im Luftverkehr, dem Gastgewerbe oder im Schiffsbau begleiten mussten. In allen von der Krise gebeutelten Branchen waren aber beispielsweise auch immer die von uns betreuten Reinigungskräfte mitbetroffen. Die Schließung von Schulen führt zum Beispiel dazu, dass auch die Schulreinigung nicht stattfindet.

 

Das normale Tarifgeschäft verlief 2020 nicht normal und die Tarifabschlüsse kamen unter äußerst erschwerten Bedingungen zustande. Das gilt für das Bauhauptgewerbe, die Gebäudereinigung, die Baustoffindustrie, die Handwerksbranchen, die Wohnungswirtschaft und so weiter. Abstandsregeln und der Druck, wichtige Bereiche am Laufen zu lassen, hemmten Aktionen und Proteste. Betriebliche Aktionen waren kaum möglich und die Beteiligung an öffentlichen Aktionen gering. Tarifkommissionen mussten online zusammenkommen. Egal ob Branchen von der Krise betroffen waren oder nicht – die Arbeitgeber malten dunkle Zeiten aus und blockierten in vielen Tarifrunden faire Verhandlungen.

 

Während des Frühjahr-Lockdowns lagen die Eintrittszahlen dann auch erst einmal unter dem Vorjahreszeitraum. Zeiten von Homeoffice und oftmals geschlossenen oder nur auf Notbetrieb laufenden Betrieben und Verwaltungen sind nicht ideal für die Mitgliederwerbung von Gewerkschaften.

 

Wenn die Belegschaften nicht im Betrieb oder der Dienststelle sind, fallen auch die ganzen informellen Kommunikationsorte weg. Keine Nachfrage, kein klärendes Gespräch auf dem Gang, vor dem Schwarzen Brett oder in der Kantine. Wenn Schichten strikt getrennt werden, Betriebe/Baustellen/Objekte den Zugang einschränken, dann fehlt der Austausch mit Kolleg*innen und auch Gewerkschaftssekretär*innen: Die betriebliche Mitbestimmung der Betriebsräte stellt das vor große Herausforderungen. So fand seit März 2020 nur eine Betriebsversammlung in der Region statt, wo wir als IG BAU über unsere Arbeit berichten konnten.

 

Teile der Gremienarbeit der IG BAU, aber auch in den Betrieben und Dienststellen mussten über Videokonferenzen erledigt werden. Das alles verkompliziert und verlangsamt Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse und setzt natürlich voraus, dass die entsprechende technische Ausstattung und Datenleitungen vorhanden sind.

 

Auch jetzt im zweiten Lockdown haben wir wieder erhebliche Schwierigkeiten bei der Werbung neuer Mitglieder. Es ist einfach viel schwieriger, die Menschen direkt anzusprechen und von der IG BAU zu überzeugen, wenn Kontaktminimierung geboten ist.

 

Es waren und sind in der Krise nun vor allem die Betriebs- und Personalräte, die in vielen Betrieben und Dienststellen eine entscheidende Rolle spielen. Kurzfristig mussten Arbeitsplätze für den Arbeits- und Gesundheitsschutz coronatauglich gemacht werden. Vom Homeoffice über Hygienekonzepten bis zur Kurzarbeit war viel zu regeln. Die IG BAU steht den Betriebs- und Personalräten dabei zur Seite.

 

Insgesamt haben wir in der Region diese Herausforderungen schnell bewältigt. So arbeitet unser Rechtsschutz-Team nahezu nur noch digital, was von unseren Mitgliedern gut angenommen wird. Betriebliche Termine finden dort statt, wo sie nötig sind und ansonsten beraten wir Mitglieder und Betriebsräte über das Telefon oder in Videokonferenzen. Der Austausch innerhalb des Regionsteams ist in wöchentlichen Videobesprechungen organisiert, so dass ein großer Informationsfluss gegeben ist.

 

In der gesamten Region Weser-Ems hatten wir im Jahr 2020 nur geringfügig mehr Kündigungen mehr Eintritte. Sowohl bei der Mitgliederwerbung, als auch bei den Gesprächen zur Kündigerrückholung waren wir erfolgreicher als im Vorjahr. In der großen Tarifrunde für das Bauhauptgewerbe konnten wir sogar deutlich Mitglieder dazu gewinnen und haben in der Branche nun mehr erwerbstätige Mitglieder als zum Jahresbeginn.

 

Das alles gibt uns Zuversicht, dass wir auch das Jahr 2021 trotz weiterhin erschwerter Bedingungen erfolgreich für unsere Mitglieder gestalten können. Denn die Krise hat auch an ganz vielen Stellen gezeigt, dass Gewerkschaften wichtiger denn je sind:

 

  • Ohne die Unterstützung und die Beharrlichkeit der IG BAU gäbe es in vielen Betrieben und Branchen immer noch keine Gesundheits- und Hygienekonzepte.
  • Ohne die Zusammenarbeit mit unseren Gewerkschaftssekretär*innen wäre es für viele Betriebsräte schwierig gewesen Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit abzuschließen.
  • Ohne unseren Druck hätten sich in vielen Branchen und Betrieben die Arbeitgeber durchgesetzt. Tariferhöhungen und Corona-Prämien hätte es nicht gegeben.
  • Ohne unsere Rechtsberatung hätten viele Beschäftigte nicht gewusst, wie sie mit der Krise umgehen können und wären ihren Arbeitgebern schutzlos ausgeliefert gewesen.

Autor: Christian Wechselbaum, Regionalleiter der IG BAU Region Weser-Ems

c